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HANDY-MANIE (5)

 


„Happy Slapping": der neue grausame Trend unter Jugendlichen.

 

(21.03.2006 )          


Handys sollen draußen bleiben

Jugendliche laden sich brutale Filme aufs Telefon. Lehrer und Politiker diskutieren Gegenmaßnahmen

Von Daniela Martens

Immer mehr Jugendliche finden: Wer einen Gewaltfilm auf dem Handy gespeichert hat, ist cool. Und deshalb schicken sie sich die Gewaltvideos von Mobiltelefon zu Mobiltelefon. In der Helmholtz-Oberschule in der Neuköllner Gropiusstadt dürfen die Jugendlichen ihr Handy weder in der Schule noch auf dem Schulhof oder in der Toilette benutzen. Schulleiter, Politiker und Eltern diskutieren, ob man generell an allen Schulen Handys verbieten soll. Laut einer bundesweiten Umfrage des Magazins „Focus“ befürworten 55 Prozent der Deutschen ein solches Handy-Verbot an Schulen. Von den 14- bis 19-Jährigen sprach sich allerdings mit 87 Prozent eine große Mehrheit dagegen aus. Befragt wurden rund tausend ausgewählte Personen ab 14 Jahren.

Immer mehr Jugendliche laden sich Gewaltvideos aus dem Internet auf ihr Handy herunter oder nehmen selbst Filme beim so genannten Happy Slapping auf. Das ist ein makabrer Trend aus England: Jugendliche greifen willkürlich Passanten an und nehmen ihre Gewalttaten mit dem Foto-Handy auf. Auf dem Schulhof schicken sich die Jugendlichen die Filme gegenseitig aufs Handy.

Politiker aller Berliner Parteien sind aber gegen ein generelles Verbot der Mobiltelefone. Schulsenator Klaus Böger (SPD) will es den Schulen selbst überlassen, ob sie Handys verbieten. Der Grüne Bildungsexperte Özcan Mutlu hofft, dass sich möglichst viele Schülerversammlungen auf ein Handyverbot verpflichten. Die Bildungsexpertinnen von FDP und CDU, Mieke Senftleben und Katrin Schultze-Berndt, wollen in den Schulkonferenzen über Handyverbote abstimmen lassen.

Die Schüler würden mit Konflikten anders umgehen, seit alle ein Mobiltelefon besitzen, sagt Hiltrud Rothaus, die Leiterin der Helmholtz-Oberschule. Konfliktsituationen geraten schneller außer Kontrolle: „Das läuft wie beim Stille-Post-Spielen. Es entstehen Gerüchteketten per SMS.“ Einmal sei auf diese Weise das Gerücht umgegangen, es gebe eine Massenschlägerei nach der Schule. „Aber keiner wusste Genaues und viele hatten Angst“, sagt Rothaus. Eine Horde Schüler versammelte sich tatsächlich bei einem nahe gelegenen U-Bahnhof, die Polizei schickte die Jugendlichen nach Hause, bevor die Situation eskalierte.

Durch das Handy-Verbot werde nicht plötzlich die Gewaltbereitschaft in Neukölln abnehmen, sagt Hiltrud Rothaus. „Das ist wie beim Rauchverbot. Da wird eben außerhalb der Schule geraucht.“ Aber ihr Ziel ist es, zumindest in der Schule eine „friedliche Lernatmosphäre“ zu schaffen. In der Tasche dürfen die Schüler ihre ausgeschalteten Telefon dabei haben. Über Gewaltfilme auf dem Handy und Happy Slapping haben die Schüler der Helmholtz-Schule im Unterricht gesprochen. Rothaus hat die Eltern um Unterstützung gebeten. „Wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten, um herauszufinden, wo es Probleme gibt.“

„Mit Verboten lassen sich Schüler nicht aufhalten, Gewaltfilme auf ihren Handys zu speichern“, sagt Karl Reismüller, der die Haupt- und Realschule am Brunnenplatz in Wedding leitet. Hier ist es allerdings schon seit 1998 untersagt, Handys mit an die Schule zu bringen – weil die Telefone oft gestohlen werden. Wenn die Schüler trotzdem ihre Telefone mitbringen, werden sie geduldet, solange sie nicht klingeln oder aus der Tasche fallen. Vom Kontrollieren hält Schulleiter Reismüller nichts.

Auch in der Carl-Friedrich-Zelter-Oberschule in Kreuzberg sind Handys schon seit fünf Jahren verboten. Die Eltern unterschreiben vor der Einschulung, dass sie das akzeptieren. Finden die Lehrer ein Handy bei einem Schüler, ziehen sie es ein, die Eltern müssen es abholen. „Mir geht es darum, dass die Schüler sich auf das Lernen und das soziale Miteinander konzentrieren“, sagt Schulleiter Robert Hasse. „Die meisten Schulen gehen zu lax damit um.“ Die Telefone seiner Schüler durchsucht er nicht nach Gewaltfilmen, er ist sich nicht sicher, ob er das rechtlich überhaupt dürfte. Bei einem konkreten Verdacht würde er aber die Polizei zu einer Razzia in die Schule bitten. Einer seiner Schüler, der sich „Big Rabbit“ nennt, ist wahrscheinlich ein guter Kandidat für eine Durchsuchung. Er erzählt freimütig, dass er regelmäßig beim Happy Slapping dabei ist und die Videos eifrig verschickt.

Eine Razzia würde Birka Schmittke, Schulleiterin der Georg-Weerth-Oberschule in Friedrichshain nicht in den Sinn kommen: „Gewaltfilme auf den Handys sind bei uns kein Brandthema“. Die Telefone sind nur im Unterricht verboten, im Schulhof und auf den Fluren dürfen die Schüler telefonieren. Birka Schmittke hält es auch nicht für sinnvoll, mit den Schülern über Happy Slapping zu sprechen: „Da würde man sie vielleicht noch auf Ideen bringen“.

Elternvertreter Andre Schindler ist gegen ein generelles Verbot. „Gewalt wird durch das Verhalten der Schüler hervorgerufen, da hilft es nichts, das Medium zu verteufeln.“ Schüler sollten ihr Handy dabei haben dürfen, damit sie zu Hause anrufen können.

 

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| 24.03.06, 08:31 Uhr |

                             Schock-Videos auf Schüler-Handys

Beim Thema  Handy für Jugendliche wird meist stark auf ökonomische Probleme geachtet. Jetzt wird der Ruf nach Medienpädagogik an Schulen laut.

Weitere Informationen

Selbst hartgesottene Polizeibeamte sollen entsetzt gewesen sein, was sie da auf 16 Handys von 14- bis 17-jährigen Schülern zu sehen bekamen: bestialische Gewaltszenen, brutale Pornodarstellungen und sexuelle Aktivitäten mit Tieren.

Die Videosequenzen waren der „coole Hit“ in den Pausen in der Hauptschule von Immenstadt im Allgäu. Eine Mutter hatte sich beim Schulleiter Wolfgang Knoll beschwert und so die erste Handy-Razzia an einer bayerischen Schule ausgelöst. Mehr als 200 Handys von Schülern wurden vorübergehend beschlagnahmt.

Von Bluetooth noch nichts gehört

Ein paar Tage später wiederholte sich der Vorgang in kleinerem Rahmen in Kaufbeuren. Wieder wurden Schüler-Handys konfisziert, diesmal waren es 35 Telefone. Auf drei Apparaten wurden brutalste Gewalt-Videos gefunden. Sozialministerin Christa Stewens (CSU) zeigte sich entsetzt. „Das ist schockierend und abstoßend“, erklärte sie und fügte hinzu: „Das gefundene Material ist schlicht menschenverachtend und hochgradig jugendgefährdend.“ Eltern sollten ein Auge darauf haben, was ihre Sprösslinge auf den Handys hätten.

Gerade hier liegt für manche das Problem. Denn viele Eltern können mit den modernen Handys gar nicht umgehen. Von einer „Bluetooth-Funktion“ haben sie oftmals noch gar nichts gehört. Dies ist nämlich die „Zauberformel“ hochmoderner Handys. Mit der kabellosen Bluetooth-Funktion können Datenmengen wie Videosequenzen von Handy zu Handy schnell und mühelos überspielt werden, eine beliebte Pausenaktivität unter Schülern.

Handy-Ratgeber für Eltern nötig

„Wir haben bisher zu stark auf die ökonomischen Probleme beim Handy geachtet“, räumt Elisabeth Seifert ein, Geschäftsführerin der Aktion Jugendschutz in Bayern. Bis Pfingsten ist ein Handy-Ratgeber für Eltern geplant. Er sollte die technikunerfahrenen Erwachsenen darauf hinweisen, was gerade unter Kinder- und Jugendschutzaspekten beim Handykauf zu beachten ist. Schulleiter Knoll bekannte selbst: „Ich weiß doch gar nicht, wie diese Handys funktionieren. Ich bin schon froh, wenn ich selbst eine SMS abschicken kann.“

Aus dem Kultusministerium wird der Ruf nach mehr Medienpädagogik an den Schulen laut. Ministerialrätin Cornelia Süß: „Die Brisanz dieses Themas ist bis zu den Vorfällen in Immenstadt und Kaufbeuren vielen nicht bewusst gewesen.“ Jetzt reiben sich manche die Augen, dass gerade in dem beschaulichen 14 000-Einwohner-Städtchen Immenstadt Pornos, Gewaltdarstellungen und Sodomieaktionen unter 14- bis 17-Jährigen die Runde machten.

Präventive Medienpädagogik gefragt

Hier sei präventive Medienpädagogik gefragt, denn: „Schutz gegen solche Darstellungen gibt es nicht“, sagt Süß. Sie weist auf umfangreiche Möglichkeiten hin, die über das Kultusministerium abgerufen werden können: Beratungsstellen, Handbücher auf Deutsch, Türkisch, Russisch und Serbokroatisch, und Experten, die für den Unterricht angefordert werden können.

Ein vom Kultusminister erwogenes Handyverbot an den Schulen halten die meisten Eltern, Pädagogen und Medienexperten für nicht praktikabel. Immenstadts Schulleiter Knoll: „Im Unterricht müssen die Handys aus sein. Aber in den Pausen sollen die Kinder etwaige Botschaften ihrer Eltern abrufen können. Manche Familien haben gar kein Festnetztelefon mehr, die sind doch aufs Handy angewiesen.“ Auch politische Parteien sind skeptisch. Die Münchner FDP hat den SPD-Oberbürgermeister Christian Ude aufgefordert, sich beim Kultusministerium gegen ein generelles Handy-Verbot an Schulen einzusetzen.

Schüler unter Gruppenzwang

In Immenstadt hatten sich Schüler beklagt, sie hätten unter dem Gruppenzwang gelitten, sich die brutalen Tierpornos und Gewaltvideos anschauen zu müssen. Sie seien froh, dass alles aufgeflogen sei. Den Tätern, darunter drei Mädchen, drohen von der Staatsanwaltschaft verhängte Erziehungsmaßnahmen. Die Schule will auf zusätzliche Sanktionen verzichten. Knoll: „Die sollen nicht zweimal bestraft werden.“

Von Nikolaus Dominik, dpa

 


 

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